Logopädische Praxis

Frank Schetzior-Hirschler

Störungsbilder

Aphasien

Aphasien sind erworbene Sprachstörungen, die nach einer Schädigung des Gehirns auftreten können. Die Ursachen von Aphasien sind häufig Schlaganfälle. Andere Ursachen sind Hirnblutungen, Hirntumoren, entzündliche Prozesse oder Schädel-Hirn-Verletzungen (etwa nach einem Unfall).
Das Wort "Aphasie" bedeutet zwar "Verlust der Sprache". Gemeint ist aber nicht zwangsläufig ein vollständiger Verlust der Sprache. Vielmehr tritt eine Aphasie je nach Ausmaß und Lokalisation der Gehirnschädigung in unterschiedlichen Arten und Schweregraden auf.
In der Regel sind mehrere Bereiche der Sprache betroffen. Aphasiker haben Schwierigkeiten bei der Sprachproduktion und im Sprachverständnis. Damit verbundene Bereiche wie das Lesen, das Schreiben, Rechnen, sowie Gestik und Mimik können unterschiedlich stark betroffen sein. Menschen mit Aphasien sind nicht geistig behindert oder psychisch gestört. Die Fähigkeit logisch zu denken und sinnvoll zu handeln bleibt unberührt.

Kindliche Aussprachstörungen

Im Bereich der kindlichen Aussprache wird in erster Linie zwischen phonetischen Störungen (= Dyslalien, Artikulationsstörungen) und phonologischen Störungen unterschieden. Beide Störungen kommen auch in Kombination miteinander vor.
Dyslalien sind Sprechstörungen. Der Sprachlaut an sich kann nicht korrekt oder störungsfrei gebildet werden. Das häufigste und bekannteste Beispiel dafür ist der Sigmatismus (= Fehlbildung der S-Laute, "Lispeln").
Phonologische Störungen sind Sprachstörungen. Der Sprachlaut an sich kann korrekt gebildet werden, aber die Aussprache bzw. Verwendung des Lautes gelingt im sprachlichen Kontext nicht störungsfrei. Ein Kind kann beispielsweise den Laut [k] isoliert bilden, aber ersetzt ihn im sprachlichen Zusammenhang durch [t] und sagt so "Tanne" statt "Kanne". Phonologische Störungen treten häufig in Verbindung mit anderen sprachlichen Störungsphänomenen als Merkmal einer spezifischen Sprachentwicklungsstörung (SSES) auf, die bei 6-8% aller Kinder im Vorschulalter zu beobachten ist (vgl. Sprachentwicklungsstörungen).
Weitere kindliche Aussprachestörungen sind verbale Entwicklungsdyspraxien und kindliche Dysarthrien, die allerdings wesentlich seltener als die beiden oben genannten Störungen vorkommen. Sie sind neurologisch bzw. (senso-) motorisch bedingt.

Stottern

Stottern ist eine Störung des Redeflusses, die meistens im Kindesalter beginnt und sich in ihrem weiteren Verlauf chronifizieren kann. Die Kernsymptomatik des Stotterns ( Laut- und Silbenwiederholungen, Dehnungen und unfreiwillige Blockierungen von Lauten) lässt sich bereits früh gegenüber normalen Sprechunflüssigkeiten abgrenzen, ihr rechtzeitiges Erkennen, bzw. Behandeln kann die Chancen einer Remission erhöhen.
Die Ursache des Stotterns ist bisher nicht bekannt - in multifaktorieller und interindividuell sehr unterschiedlich gewichteter Vernetzung wirken auslösende und aufrechterhaltende Komponenten (z. B. familiäre Disposition, sprachliche Grundauffälligkeiten, Prozesse der Verunsicherung etc.) bei der Entstehung und Manifestation des Stotterns zusammen.
Die Redeflussstörungen Stottern und Poltern treten nicht nur isoliert, sondern häufig in komplex kombinierten Formen auf (z. B. Poltern mit Stotterkomponente, Stottern-Poltern) und sind für die Betroffenen in vielen Fällen mit erheblichen psychosozialen Belastungen verknüpft. Für Diagnostik und Therapie dieser Störungen erscheint ein einzelfallorientiertes Vorgehen unerlässlich.

Audiogene Sprachstörungen

Die Fähigkeit zu hören ist den Menschen angeboren, die Hörbahnreifung jedoch erfolgt großteils bis Ende des ersten Lebensjahres durch die Stimulation mit Geräuschen, Sprache oder Musik. Während dieser Zeit lernt das Kind Geräusche zu unterscheiden, Stimmen bestimmten Personen zuzuordnen, wichtige von unwichtigen Geräuschen zu unterscheiden.
Das Hören, Erkennen, und Verstehen von Sprache ist ein Glied in dieser Reihe und unbedingte Voraussetzung dafür, dass sich Sprache altersgemäß entwickelt.
Ein Kind mit angeborener oder schon früh erworbener Hörstörung kann Sprache nur mit großer Mühe erwerben. Eine frühzeitige Diagnostik und Therapie der Hörstörung ist deshalb schon in den ersten Lebensmonaten unbedingt erforderlich. Die frühe Erfassung einer Hörstörung ist immer eine Gemeinschaftsaufgabe von Eltern, Kinderärzten, HNO-Ärzten und Pädaudiologen.

Sprachentwicklungsstörungen

Sprachentwicklungsstörungen (SES) gehören zu den häufigsten Sprachstörungen überhaupt. Sie treten hauptsächlich im Vor- und Grundschulalter auf, können aber auch bis ins Jugendlichen- und Erwachsenenalter reichen.
Die mit einer SES verbundenen Störungsphänomene unterteilen sich in:

  • Aussprachestörungen (vgl. Kindliche Aussprachestörungen).
  • Dysgrammatismus (= Störungen bei der Ausprägung des grammatischen Regelsystems).
  • Semantisch-lexikalische Störungen (= Störungen der Bedeutungsentwicklung, der Wortfindung und/oder Wortschatzeinschränkungen)
  • Pragmatische Störungen (= Störungen des Kommunikations- und Dialogverhaltens)

Diese Störungsphänomene sind selten isoliert zu beobachten, sondern treten häufig in Kombination miteinander auf (spezifische oder primäre Sprachentwicklungsstörung) oder im Zusammenhang mit anderen Störungen oder Entwicklungsbeeinträchtigungen (sekundäre Sprachentwicklungsstörung). In der heutigen multikulturellen Gesellschaft werden zunehmend zweisprachige Kinder zur sprachtherapeutischen Intervention vorgestellt, wobei nicht die Mehrsprachigkeit an sich für die Sprachprobleme der Kinder verantwortlich ist.
Von einer spezifischen Sprachentwicklungsstörung (SSES) spricht man, wenn die Störung allein die Sprache betrifft, und alle nichtsprachlichen Fähigkeiten im Normbereich liegen. Eine SSES kündigt sich meist durch einen verspäteten Sprechbeginn (ca. 2;0 - 2;06 Jahre) an. Zunächst dominiert häufig die Aussprachestörung, während etwa ab Schuleintritt der Dysgrammatismus in den Vordergrund tritt. Im Schulalter treten bei einem Teil (zwischen 40 und 70%) der Kinder mit SSES erhebliche Probleme im Erwerb der Schriftsprache (LRS) auf. Zu den Bedingungsfaktoren gehören Störungen der phonematischen Bewusstheit (Probleme beim Reimen, beim Zerlegen von Wörtern u. ä.) und Zentral-auditive Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörungen

Poltern

Die Sprechsymptome des Polterns sind gekennzeichnet durch auffallend häufige Silben- und Wortwiederholungen bei einem insgesamt erhöhten Sprechtempo und gleichzeitigen Auffälligkeiten in der melodisch-rhythmischen und / oder dynamischen Akzentuierung des Sprechens. Dass diese Redeflussstörung häufig in Kombination mit anderen sprachlichen Phänomenen (z. B. Stottern, Sprachentwicklungsstörung) sowie Lese - Rechtschreibproblemen auftritt, verweist auf mögliche zentrale Verursachungsfaktoren der Störung (z. B. auditive Verarbeitungs - oder motorische Koordinationsprobleme), die sich auf verschiedenen Ebenen des Sprechens, der Sprache und der Kommunikation bemerkbar machen können.
Die Redeflussstörungen Stottern und Poltern treten nicht nur isoliert, sondern sehr häufig in komplex kombinierten Formen auf (z.B. Poltern mit Stotterkomponente, Stottern-Poltern) und sind für die Betroffenen in vielen Fällen mit erheblichen psychosozialen Belastungen verknüpft. Für Diagnostik und Therapie dieser Störungen erscheint ein einzelfallorientiertes Vorgehen unerlässlich.

Stimmstörungen

Stimmerkrankungen (Dysphonien) äußern sich durch eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit der Stimme, verbunden mit einer Veränderung des Stimmklanges im Sinne der Heiserkeit.
Man unterscheidet zwischen Organischen Stimmstörungen, z. B.

  • Lähmungen, Tumoren, Verletzungen
  • Funktionelle Stimmstörungen, z. B. fehlerhafter Stimmgebrauch
  • Psychogenen Stimmstörungen, z. B. psychische Belastung, Neurose

Häufig sind keine klaren Grenzen zu den oben genannten Störungsbildern zu ziehen. Eine Stimmstörung beinhaltet immer auch eine Einschränkung der rhetorischen Gestaltungsmittel wie Sprechmelodie oder Tempo und beeinträchtigt somit soziale Beziehungen.